Fine detail on the surface of the sarcophagus of Seti I.
Courtesy of Factum Foundation

Spotlights

12. März 2021

Sethos I.: Bewahrung einer 3.000 Jahre alten Grabstätte mit RealityScan

Die Factum Foundation machte sich daran, ein vollständiges und genaues Abbild der 3.000 Jahre alten Felsengrabstätte von Sethos I. zu erstellen. Dafür wurden Photogrammetrie, Laserscans und innovative 3D-Druckverfahren angewendet. Herzstück des Projekts war RealityScan.

Cultural heritage

Factum Foundation

Laser scanning

Photogrammetry

Die Felsengrabstätte von Pharao Sethos I. (1290 bis 1279 vor Christus) ist die größte und bedeutendste Grabstätte ihrer Art im Tal der Könige, dem weltberühmten Begräbnisort nahe Luxor in Ägypten. Im Jahr 1817 – über 3.000 Jahre nach dem Tod des Pharaos – entdeckte der italienische Zirkusakrobat Giovanni Battista Belzoni das Grab und entfachte eine große Faszination für ein Monument, das für die Ewigkeit gebaut worden war.
 

Bewahrung und Erhaltung


Seit seiner Entdeckung verfällt das Grab zusehends, was auf schlecht durchdachte Bewahrungsversuche und negative Einwirkungen durch den Massentourismus zurückzuführen ist. Im Jahr 2016 übernahm die Factum Foundation die Aufgabe, das Grab mittels Digitalisierung und Herstellung von realen Nachbildungen zu erhalten. Der Ansatz ähnelt dem Vorgehen bei der Bewahrung des Grabs von Tutanchamun und dessen Präsentation für die Öffentlichkeit. Für den Auftrag nutzte die Factum Foundation die Expertise ihres Partnerstudios Factum Arte.

Zu den Daten des Grabs von Tutanchamun gibt es bereits bahnbrechende Untersuchungen und Studien, und die Factum Foundation möchte dasselbe jetzt für das Grab von Sethos I. ermöglichen. Digitale Bewahrung und die Herstellung von Nachbildungen bieten die Chance, Teile der Grabstätte an ihren Ursprungsort zurückzubringen, die im Laufe der Jahre an verschiedene Museen auf der ganzen Welt gingen. 

Das Ergebnis der Arbeit der Factum Foundation und Factum Arte ist eine weltweit bis dato unerreicht vollständige und zusammenhängende Sammlung der Grabstätte von Sethos I., die sich perfekt für Studien und zur weiteren Verbreitung eignet.
 
Original watercolor of the sarcophagus of Seti I.
Courtesy of Factum Foundation

Dokumentationsverfahren


Die Herstellung physischer Nachbildungen erfordert hochaufgelöste 3D-Geometrie, doch für die Organisation der digitalisierten Abschnitte braucht es umfassende, niedriger aufgelöste Daten, um diese Abschnitte im Kontext der Anlage richtig platzieren zu können. Um das zu bewerkstelligen, setzte das Team auf eine Kombination aus ultrahochauflösender Photogrammetrie (Lucida) und traditionellem, terrestrischem Laserscanning.

Aufgrund der komplexen Unterschiede der jeweiligen Datentypen war RealityScan die perfekte Anwendung für deren Kombination in einen zusammenhängenden Datensatz.
A Factum Foundation operator conducts photogrammetry throughout the tomb of Seti I.
Courtesy of Factum Foundation

Erste Schritte vor Ort


Die Kammern der Grabstätte in Luxor wurden im Mai 2016 gescannt und fotografiert. Der Sarkophag und verschiedene Objekte aus dem ursprünglichen Grab wurden im Sir John Soane's Museum in London dokumentiert. Über zwanzig Wandfragmente wurden nach der Entdeckung des Grabs im Jahr 1817 von Giovanni Battista Belzoni von dort entfernt, untersucht und in die Sammlungen des Museum of Fine Arts in Boston, dem Nationalmuseum für Archäologie in Florenz, dem Ägyptisches Museum und Papyrussammlung in Berlin und dem Louvre in Paris aufgenommen.

Für die Erfassung der Grabkammer, des Sarkophags und der Fragmente kam eine optimale Kombination aus hochauflösenden Aufzeichnungstechnologien zum Einsatz. Zu den Technologien gehörten 3D-Laserscanner mit kurzer und großer Reichweite, hochauflösende Farbkompositionsfotografie und Photogrammetrie mit kurzer und mittlerer Reichweite.
Fine detail on the surface of the sarcophagus of Seti I.
Courtesy of Factum Foundation

Photogrammetrieverfahren


Die Photogrammetrie spielte eine zentrale Rolle in der Erfassung der Grabkammer von Sethos I. Innerhalb des Grabs wurden Photogrammetrieaufnahmen gemacht, die unverzichtbare Informationen für die Farbabstimmung und das Verständnis zu den unfertigen Wänden lieferten.

Mit einer DSLR-Kamera wurden mehrere Bilder unter konstanter, diffuser Beleuchtung aufgenommen. Die Aufnahmen folgten einem klar definierten Ablauf und die Bilder überlappten sich stark. Die Bilder wurden dann mit RealityScan verarbeitet und das Resultat reichte an die besten Ergebnisse weitaus teurerer 3D-Systeme heran. 

Die Bilddaten bieten eine höher aufgelöste Geometrie als die zugrunde liegende Punktwolke, die eine viel feinere Detaillierung erfordert hätte. Anders als bei der Erstellung von 2D-Höhenmodellen, Architekturplänen oder virtuellen Umgebungen, die Texturen mit hoher Auflösung erfordern, ist bei Fräsen und 3D-Druck eine sehr detaillierte Geometrie vonnöten. Traditionelles Laserscanning bietet keine ausreichend hohe Auflösung für das Verfahren.
 

Laserscanning-Verfahren


Trotz des beträchtlichen Touristenandrangs nach der Neueröffnung des Grabs im November 2016 konnte Factum Arte die 3D-Vermessung des Grabs erfolgreich abschließen. Für die Arbeiten kam ein terrestrischer Laserscanner vom Typ FARO Focus 130 zum Einsatz. Die so gewonnenen Daten gaben Aufschluss über die generelle Geometrie und räumlichen Dimensionen des Grabs. Das war die Grundlage, auf der alle anderen Daten arrangiert werden konnten, um die Position der Scan- und Bilddaten akkurat festzuhalten.
Registered laser scan data for Seti I.
Courtesy of Factum Foundation

Hochaufgelöste Scans mit Lucida


Im so geschaffenen Kontext und mit der durch Photogrammetrie- und Laserscandaten erfassten, allgemeinen Geometrie sammelt Lucida die feinen Details, die so wichtig sind für den Nachbildungsprozess. Allerdings führten Einschränkungen der Mobilität und Anpassbarkeit dazu, dass die Decke, der Boden und etwa 30 % der Wandflächen nicht gescannt werden konnten. Diese Bereiche mussten mit anderen Daten vervollständigt werden.
 

Verarbeitung


Die Laserscandaten wurden in der Software "FARO SCENE 3D Point Cloud" verarbeitet und registriert, um eine E57-Punktwolke zu erstellen. Die Fotos wurden in Lightroom verarbeitet, um eine ideale Belichtung, Klarheit und Farbgebung zu erzielen.

Danach wurden alle Daten in RealityScan importiert, wo der Hauptanteil der Verarbeitung ablief. Die Bilder wurden nach den einzelnen Kammern aufgeteilt. Jeder Bereich wurde in einzelne Komponenten importiert und individuell ausgerichtet. Sobald alle Kammern verarbeitet waren, wurden alle Komponenten zusammen registriert. Dabei dienten die Laserscandaten als Skalierungsbasis.
A point cloud created from a combination of terrestrial laser scans and photographs stitched together in RealityScan.
Courtesy of Factum Foundation
Nach der erfolgreichen Ausrichtung des Projekts wurde anhand der Photogrammetrie- und Laserdaten ein hochaufgelöstes Modell jeder einzelnen Wand in jedem Raum erstellt, um die Geometrie der kleinsten Details zu verfeinern.

Alle hochaufgelösten Wand-Meshs wurden als OBJ-Datei exportiert und für den 3D-Druck in Abschnitte unterteilt.

Zum Schluss nutzte das Team noch die Ortho-Projektionsfunktion von RealityScan, um Tiefenkarten jeder Wand anzulegen. Die Tiefenkarten sind topografische Karten für die CNC-Fräsen, die den Maschinen zeigen, wie viel Material sie an jeder Stelle der Wandabschnitte abtragen müssen.
 

Nachbildung


Der Sarkophag von Sethos I. und die Wände des Grabs weisen komplexe Steingravuren auf. Die Arbeiten sind nicht nur wunderschön, sondern geben auch einen Einblick in die Kultur dieser Zeit. Die möglichst realitätsnahe Reproduktion dieser Gravuren hinsichtlich Tiefe, Berührungsgefühl und Farbgestaltung kann Forschern wertvolle Informationen liefern, die sie von Fotos allein nicht ablesen können.

Die Gravuren befanden sich jedoch nicht immer auf glatten Oberflächen, die sich leicht mit 3D-Druck nachbilden ließen. Oftmals befanden sie sich auf unebenen Felsenoberflächen oder gekrümmten Formen, wie etwa dem Sarkophag. Weiterhin waren viele der ursprünglichen Farben im Grab verblasst oder ganz verschwunden, da das Grab seit seiner Entdeckung nicht effektiv konserviert worden war.

Die Nachbildung des Grabs von Sethos I. durch Factum Arte erforderte verschiedene Methoden zur Herstellung von 3D-Oberflächen und 2D-Texturen. Es kamen unter anderem Reliefdruck, Fräsen, 3D-Druck und Elastomer-Druck zum Einsatz.
Conservators inspect the facsimile of the tomb.
Courtesy of Factum Foundation

Reliefdruck


Für ebene Oberflächen nutzte das Team eine neuartige Technik: den sogenannten Reliefdruck.
Das Verfahren wurde von Océ Technology entwickelt, die jetzt zu Canon Production Printing gehören. Der Einsatz fand im Rahmen des Forschungsprojekts "Project Eiger" statt.

Das Reliefdruckverfahren kann vollständig kolorierte taktile Drucke mit Abmessungen von bis 2,44 x 1,19 Metern und einer Reliefhöhe von bis zu 5 Millimetern anfertigen. Für die Herstellung der Drucke nutzte das Team exportierte Tiefenkarten von RealityScan und kombinierte diese mit Tiefenkarten, die vom Lucida-Scanner exportiert wurden.

Da die Tiefe der Wandgravuren im Grab von Sethos I. gelegentlich die Maximaltiefe von 5 mm überschritten, entwickelte das Forschungs- und Entwicklungsteam von Océ Technology einen experimentellen Schichtungsalgorithmus für das Sethos-I.-Projekt. Sie modifizierten auch den Druckvorgang, um monochrome Drucke mit dem gewünschten Relief zu erstellen, die die nötigen Präzisionsanforderungen erfüllten.
Seti elevated printing process by Océ.
Courtesy of Factum Foundation
Factum fertigte die monochromen Drucke des Grabs von Sethos I. an und färbte sie anschließend ein. Die Océ-Drucke wurden als Negativabdrücke der Grabwände erstellt, von denen wiederum Gussformen erstellt wurden. Hätte Belzoni bereits damals solche berührungslosen Technologien zur Verfügung gehabt, die Wände des Grabmals hätten womöglich ihre ursprüngliche Farbgebung bis heute erhalten.
 

Weiterleitung


Der Großteil des Grabs wurde mit CNC-Fräsen in Polyurethan-Platten gefräst. Wie beim Reliefdruck wurden die Fräsen von den kombinierten Tiefenkarten aus RealityScan und dem Lucida-Scanner angeleitet. Das 3D-Fräsen einer 1 m x 1 m großen Platte mit einer Auflösung von 250 Mikrometern dauert ungefähr 120 Stunden.

Die Wände wurden als Platten mit einer Abmessung von 1 m x 2 m gefräst und dann miteinander verbunden. Nachdem alle Drucke abgeschlossen waren, wurden die Platten zu vollständigen Räumen zusammengefügt. Diese wurden anschließend in unregelmäßig geformte Abschnitte unterteilt, die man leicht zu Ausstellungen transportieren und dort wieder zusammensetzen kann.
Routing of the 3D wall panels.
Courtesy of Factum Foundation

3D-Print


Die verbleibenden Teile der Ausstellungsstücke wurden mit einem Kunstharz-basierten 3D-Drucksystem hergestellt. Die für den Druck verwendeten Meshs wurden in RealityScan mit der höchstmöglichen Auflösung erstellt und dann auf die für den Druck ideale Polygon-Anzahl geschrumpft, wodurch keine Details verloren gingen. Die Meshs wurden danach noch in einem externen Programm bereinigt und für den Druck mit unternehmenseigenen Druckern vorbereitet. Die Gegenstände komplettierten die Ausstellung der Fräs- und Reliefdruck-Platten.
 

Elastomer-Druck


Die Verwendung eines elastischen Druckmediums folgte praktischen Erfordernissen des Projekts. Die digitalen Flachbettdrucker von Factum Arte können mit perfekter Registerhaltigkeit drucken, aber sie vermögen nicht, ein detailliertes und fokussiertes Bild auf eine unebene Fläche aufzudrucken. 
Seti printing on latex sheeting.
Courtesy of Factum Foundation
Eine vielschichtige Mixtur aus drei unterschiedlichen Materialien wurde für den Druck entwickelt: zwei dünne Tintenstrahlgrundierungen auf einem Acryl-Gesso und eine elastische Acryl-Stützfläche. Die Mixtur wurde in sieben Schichten auf eine leicht texturierte Silikonform aufgetragen. Das Resultat war ein extrem dünnes, flexibles und elastisches Material, das sich gut für den Strahldruck mit pigmentierter Tinte eignete.

Diese "Häute" können als Folien gedruckt werden, die bis zu 1,5 m breit und 3 m lang sind. So lässt sich die Anzahl der Nahtstellen an der finalen Reproduktion minimieren. Die Häute sind nur begrenzt haltbar und müssen umgehend auf das 3D-Druckmodell aufgetragen werden, damit sie sich richtig dehnen und perfekt an die Oberfläche anpassen. 
Seti printed skins applied to 3D printed model
Courtesy of Factum Foundation

Ausstellung


Der krönende Abschluss nach der Fertigstellung aller Arbeitsschritte war eine fulminante Ausstellung, die erstmals im Antikenmuseum in Basel zu besichtigen war. Das Team stellte einen umfassenden Katalog der Artefakte, Grabstättennachbildungen, Bildungsinhalte und interaktiven Bereiche zusammen, um Museumsbesuchern nicht nur das Grab, sondern auch dessen Wiederentdeckung und die Herstellung der Nachbildungen näherzubringen.
 Facsimile of the Tomb of Seti I at Antikenmuseum in Basel, Switzerland.
Courtesy of Factum Foundation
Zusätzliche Details, wie die Wandtafeln und Artefakte, die heute in verschiedenen Museen auf der ganzen Welt ausgestellt werden, wurden sorgfältig gescannt und in dieser Grabnachbildung zusammengetragen. Das ist das erste Mal seit der Wiederentdeckung des Grabs, dass man es in seiner Vollständigkeit bestaunen kann.
Facsimile artifacts from Louvre in Paris, Museum of Natural History Boston, and Sir Joan Slone’s Museum London.
Courtesy of Factum Foundation
Schließlich veranschaulicht die Grabstätte auch die Bedeutung der Hieroglyphen und rituellen Artefakte, die man in der Ausstellung zu sehen bekommt. Es ist eine spannende Vorstellung, in so einem Umfeld mehr über die antiken Ägypter zu erfahren, ihre Artefakte berühren zu können und dazu noch viele Details zu den Gegenständen bereitgestellt zu bekommen. Dazu gibt es noch Informationen zur Entdeckung und der Ausgrabung durch Belzoni. All das steht Besuchern offen, mehr als 3.000 km entfernt vom eigentlichen Standort der Grabstätte in Ägypten.

Solche Ausstellungen demonstrieren die Möglichkeiten, die einem mit der nötigen Inspiration, technologischem Wissen und der richtigen Ausrüstung zur Verfügung stehen.
Seti I sarcophagus at Basel exhibition with hieroglyphics explained.
Courtesy of Factum Foundation
Über die Factum Foundation

Die Factum Foundation for Digital Technology in Conservation ist eine gemeinnützige Organisation und wurde 2009 in Madrid gegründet. Sie arbeitet zusammen mit ihrer Partnerorganisation Factum Arte, einer in Madrid ansässigen, interdisziplinären Werkstatt für digitale Mediation in der Gegenwartskunst und die Herstellung von Nachbildungen. Die Stiftung wurde ins Leben gerufen, um die Bedeutung der Dokumentation, Überwachung, Untersuchung, Wiederherstellung und weltweiten Zurverfügungstellung des kulturellen Erbes mittels konsequenter Entwicklung von hochauflösenden Aufzeichnungstechnologien und Herstellungstechnologien zu demonstrieren. Mehr Informationen über ihre Arbeiten in der Grabstätte von Sethos I. erfährst du in der Abhandlung der Stiftung zu den eingesetzten Technologien: 
The Sarcophagus of Seti I – Re-materialisation.
 

RealityScan herunterladen

RealityScan kann von Studierenden, Lehrkräften sowie Einzelpersonen und Unternehmen mit einem jährlichen Bruttoumsatz von weniger als 1 Million US-Dollar kostenlos verwendet werden.

Überschreitest du die Schwelle von 1 Mio. $? Dann besuche unsere Lizenzierungsseite, um mehr über deine Kaufoptionen zu erfahren.

Den Launcher herunterladen

Bevor du RealityScan installieren und ausführen kannst, musst du den Epic Games Launcher herunterladen und installieren. 

Epic Games Launcher installieren

Öffne den Launcher nach dem Herunterladen und melde dich bei deinem Epic-Games-Konto an oder erstelle ein neues Konto.

Es treten Probleme auf? Erhalte Support oder starte den Download deines Epic Games Launchers wie in Schritt 1 beschrieben neu.

RealityScan installieren

Sobald du eingeloggt bist, navigiere zum Tab "RealityScan" unter "Unreal Engine" und klicke auf die Schaltfläche "Installieren", um die neueste Version herunterzuladen.

Suchst du nach RealityScan Mobile?

Nimm dein Mobilgerät und scanne drauflos!

Mehr erfahren