Dokumentationsverfahren
Die Herstellung physischer Nachbildungen erfordert hochaufgelöste 3D-Geometrie, doch für die Organisation der digitalisierten Abschnitte braucht es umfassende, niedriger aufgelöste Daten, um diese Abschnitte im Kontext der Anlage richtig platzieren zu können. Um das zu bewerkstelligen, setzte das Team auf eine Kombination aus ultrahochauflösender Photogrammetrie (Lucida) und traditionellem, terrestrischem Laserscanning.
Aufgrund der komplexen Unterschiede der jeweiligen Datentypen war RealityScan die perfekte Anwendung für deren Kombination in einen zusammenhängenden Datensatz.
Erste Schritte vor Ort
Die Kammern der Grabstätte in Luxor wurden im Mai 2016 gescannt und fotografiert. Der Sarkophag und verschiedene Objekte aus dem ursprünglichen Grab wurden im Sir John Soane's Museum in London dokumentiert. Über zwanzig Wandfragmente wurden nach der Entdeckung des Grabs im Jahr 1817 von Giovanni Battista Belzoni von dort entfernt, untersucht und in die Sammlungen des Museum of Fine Arts in Boston, dem Nationalmuseum für Archäologie in Florenz, dem Ägyptisches Museum und Papyrussammlung in Berlin und dem Louvre in Paris aufgenommen.
Für die Erfassung der Grabkammer, des Sarkophags und der Fragmente kam eine optimale Kombination aus hochauflösenden Aufzeichnungstechnologien zum Einsatz. Zu den Technologien gehörten 3D-Laserscanner mit kurzer und großer Reichweite, hochauflösende Farbkompositionsfotografie und Photogrammetrie mit kurzer und mittlerer Reichweite.
Photogrammetrieverfahren
Die Photogrammetrie spielte eine zentrale Rolle in der Erfassung der Grabkammer von Sethos I. Innerhalb des Grabs wurden Photogrammetrieaufnahmen gemacht, die unverzichtbare Informationen für die Farbabstimmung und das Verständnis zu den unfertigen Wänden lieferten.
Mit einer DSLR-Kamera wurden mehrere Bilder unter konstanter, diffuser Beleuchtung aufgenommen. Die Aufnahmen folgten einem klar definierten Ablauf und die Bilder überlappten sich stark. Die Bilder wurden dann mit RealityScan verarbeitet und das Resultat reichte an die besten Ergebnisse weitaus teurerer 3D-Systeme heran.
Die Bilddaten bieten eine höher aufgelöste Geometrie als die zugrunde liegende Punktwolke, die eine viel feinere Detaillierung erfordert hätte. Anders als bei der Erstellung von 2D-Höhenmodellen, Architekturplänen oder virtuellen Umgebungen, die Texturen mit hoher Auflösung erfordern, ist bei Fräsen und 3D-Druck eine sehr detaillierte Geometrie vonnöten. Traditionelles Laserscanning bietet keine ausreichend hohe Auflösung für das Verfahren.
Laserscanning-Verfahren
Trotz des beträchtlichen Touristenandrangs nach der Neueröffnung des Grabs im November 2016 konnte Factum Arte die 3D-Vermessung des Grabs erfolgreich abschließen. Für die Arbeiten kam ein terrestrischer Laserscanner vom Typ FARO Focus 130 zum Einsatz. Die so gewonnenen Daten gaben Aufschluss über die generelle Geometrie und räumlichen Dimensionen des Grabs. Das war die Grundlage, auf der alle anderen Daten arrangiert werden konnten, um die Position der Scan- und Bilddaten akkurat festzuhalten.
Hochaufgelöste Scans mit Lucida
Im so geschaffenen Kontext und mit der durch Photogrammetrie- und Laserscandaten erfassten, allgemeinen Geometrie sammelt Lucida die feinen Details, die so wichtig sind für den Nachbildungsprozess. Allerdings führten Einschränkungen der Mobilität und Anpassbarkeit dazu, dass die Decke, der Boden und etwa 30 % der Wandflächen nicht gescannt werden konnten. Diese Bereiche mussten mit anderen Daten vervollständigt werden.
Verarbeitung
Die Laserscandaten wurden in der Software "FARO SCENE 3D Point Cloud" verarbeitet und registriert, um eine E57-Punktwolke zu erstellen. Die Fotos wurden in Lightroom verarbeitet, um eine ideale Belichtung, Klarheit und Farbgebung zu erzielen.
Danach wurden alle Daten in RealityScan importiert, wo der Hauptanteil der Verarbeitung ablief. Die Bilder wurden nach den einzelnen Kammern aufgeteilt. Jeder Bereich wurde in einzelne Komponenten importiert und individuell ausgerichtet. Sobald alle Kammern verarbeitet waren, wurden alle Komponenten zusammen registriert. Dabei dienten die Laserscandaten als Skalierungsbasis.
Nach der erfolgreichen Ausrichtung des Projekts wurde anhand der Photogrammetrie- und Laserdaten ein hochaufgelöstes Modell jeder einzelnen Wand in jedem Raum erstellt, um die Geometrie der kleinsten Details zu verfeinern.
Alle hochaufgelösten Wand-Meshs wurden als OBJ-Datei exportiert und für den 3D-Druck in Abschnitte unterteilt.
Zum Schluss nutzte das Team noch die Ortho-Projektionsfunktion von RealityScan, um Tiefenkarten jeder Wand anzulegen. Die Tiefenkarten sind topografische Karten für die CNC-Fräsen, die den Maschinen zeigen, wie viel Material sie an jeder Stelle der Wandabschnitte abtragen müssen.
Nachbildung
Der Sarkophag von Sethos I. und die Wände des Grabs weisen komplexe Steingravuren auf. Die Arbeiten sind nicht nur wunderschön, sondern geben auch einen Einblick in die Kultur dieser Zeit. Die möglichst realitätsnahe Reproduktion dieser Gravuren hinsichtlich Tiefe, Berührungsgefühl und Farbgestaltung kann Forschern wertvolle Informationen liefern, die sie von Fotos allein nicht ablesen können.
Die Gravuren befanden sich jedoch nicht immer auf glatten Oberflächen, die sich leicht mit 3D-Druck nachbilden ließen. Oftmals befanden sie sich auf unebenen Felsenoberflächen oder gekrümmten Formen, wie etwa dem Sarkophag. Weiterhin waren viele der ursprünglichen Farben im Grab verblasst oder ganz verschwunden, da das Grab seit seiner Entdeckung nicht effektiv konserviert worden war.
Die Nachbildung des Grabs von Sethos I. durch Factum Arte erforderte verschiedene Methoden zur Herstellung von 3D-Oberflächen und 2D-Texturen. Es kamen unter anderem Reliefdruck, Fräsen, 3D-Druck und Elastomer-Druck zum Einsatz.
Factum fertigte die monochromen Drucke des Grabs von Sethos I. an und färbte sie anschließend ein. Die Océ-Drucke wurden als Negativabdrücke der Grabwände erstellt, von denen wiederum Gussformen erstellt wurden. Hätte Belzoni bereits damals solche berührungslosen Technologien zur Verfügung gehabt, die Wände des Grabmals hätten womöglich ihre ursprüngliche Farbgebung bis heute erhalten.
Weiterleitung
Der Großteil des Grabs wurde mit CNC-Fräsen in Polyurethan-Platten gefräst. Wie beim Reliefdruck wurden die Fräsen von den kombinierten Tiefenkarten aus RealityScan und dem Lucida-Scanner angeleitet. Das 3D-Fräsen einer 1 m x 1 m großen Platte mit einer Auflösung von 250 Mikrometern dauert ungefähr 120 Stunden.
Die Wände wurden als Platten mit einer Abmessung von 1 m x 2 m gefräst und dann miteinander verbunden. Nachdem alle Drucke abgeschlossen waren, wurden die Platten zu vollständigen Räumen zusammengefügt. Diese wurden anschließend in unregelmäßig geformte Abschnitte unterteilt, die man leicht zu Ausstellungen transportieren und dort wieder zusammensetzen kann.
3D-Print
Die verbleibenden Teile der Ausstellungsstücke wurden mit einem Kunstharz-basierten 3D-Drucksystem hergestellt. Die für den Druck verwendeten Meshs wurden in RealityScan mit der höchstmöglichen Auflösung erstellt und dann auf die für den Druck ideale Polygon-Anzahl geschrumpft, wodurch keine Details verloren gingen. Die Meshs wurden danach noch in einem externen Programm bereinigt und für den Druck mit unternehmenseigenen Druckern vorbereitet. Die Gegenstände komplettierten die Ausstellung der Fräs- und Reliefdruck-Platten.
Elastomer-Druck
Die Verwendung eines elastischen Druckmediums folgte praktischen Erfordernissen des Projekts. Die digitalen Flachbettdrucker von Factum Arte können mit perfekter Registerhaltigkeit drucken, aber sie vermögen nicht, ein detailliertes und fokussiertes Bild auf eine unebene Fläche aufzudrucken.
Eine vielschichtige Mixtur aus drei unterschiedlichen Materialien wurde für den Druck entwickelt: zwei dünne Tintenstrahlgrundierungen auf einem Acryl-Gesso und eine elastische Acryl-Stützfläche. Die Mixtur wurde in sieben Schichten auf eine leicht texturierte Silikonform aufgetragen. Das Resultat war ein extrem dünnes, flexibles und elastisches Material, das sich gut für den Strahldruck mit pigmentierter Tinte eignete.
Diese "Häute" können als Folien gedruckt werden, die bis zu 1,5 m breit und 3 m lang sind. So lässt sich die Anzahl der Nahtstellen an der finalen Reproduktion minimieren. Die Häute sind nur begrenzt haltbar und müssen umgehend auf das 3D-Druckmodell aufgetragen werden, damit sie sich richtig dehnen und perfekt an die Oberfläche anpassen.
Ausstellung
Der krönende Abschluss nach der Fertigstellung aller Arbeitsschritte war eine fulminante Ausstellung, die erstmals im Antikenmuseum in Basel zu besichtigen war. Das Team stellte einen umfassenden Katalog der Artefakte, Grabstättennachbildungen, Bildungsinhalte und interaktiven Bereiche zusammen, um Museumsbesuchern nicht nur das Grab, sondern auch dessen Wiederentdeckung und die Herstellung der Nachbildungen näherzubringen.
Zusätzliche Details, wie die Wandtafeln und Artefakte, die heute in verschiedenen Museen auf der ganzen Welt ausgestellt werden, wurden sorgfältig gescannt und in dieser Grabnachbildung zusammengetragen. Das ist das erste Mal seit der Wiederentdeckung des Grabs, dass man es in seiner Vollständigkeit bestaunen kann.
Schließlich veranschaulicht die Grabstätte auch die Bedeutung der Hieroglyphen und rituellen Artefakte, die man in der Ausstellung zu sehen bekommt. Es ist eine spannende Vorstellung, in so einem Umfeld mehr über die antiken Ägypter zu erfahren, ihre Artefakte berühren zu können und dazu noch viele Details zu den Gegenständen bereitgestellt zu bekommen. Dazu gibt es noch Informationen zur Entdeckung und der Ausgrabung durch Belzoni. All das steht Besuchern offen, mehr als 3.000 km entfernt vom eigentlichen Standort der Grabstätte in Ägypten.
Solche Ausstellungen demonstrieren die Möglichkeiten, die einem mit der nötigen Inspiration, technologischem Wissen und der richtigen Ausrüstung zur Verfügung stehen.